Je grösser das Haus, je dicker die Mauern. Das war immer so, bis der Eisenbeton erfunden wurde.

Zwar haben schon die Römer betoniert. Ihr Beton war ein Füllstoff für dicke Mauern, ein Gemisch aus Steinen, Sand, Ziegelschrot und Kalk. Sie kannten aber weder die heutige Eisenarmierung noch das erst im 19. Jahrhundert erfundene, alles entscheidende Bindemittel: den Zement. Erst jetzt wurden die tragenden Mauern dünner, und die schweren Gewölbe und knarrenden Holzbalkendecken durch leichte, flache Betondecken ersetzt. Einfach Kies und Sand mit Zement vermischt, in eine Holzschalung gegossen und mit Eisenstäben armiert. Das war der Beginn des neuen Bauens unserer Zeit. Das war der gewaltige, epochale Fortschritt des 20. Jahrhunderts.

Der Eisenbeton hat den Ingenieuren vorerst alle Wünsche ermöglicht. Schlanke Brücken, dünne Stützmauern, hohe Silobauten, feingliedrige Skelettbauten für unzählige Bahnhöfe und Fabrikhallen. Doch Betonbauten haben es selbst heute noch schwer in der Bevölkerung vorbehaltlos ästhetische Akzeptanz zu erlangen. Viele unter uns würden auch im Jahr 2008, in den eigenen oder gemieteten Wohnräumen, eine Decke aus Sichtbeton nicht akzeptieren.

Der Architekt Fritz Metzger war einer der ersten, der den neuen Baustoff, den rohen Eisenbeton, in der Schweiz konsequent an seinen kirchlichen Bauten zur Anwendung brachte. 1927 baute Karl Moser die berühmte Betonkirche St. Anton in Basel. Kurz darauf folgten Metzgers bedeutendste drei Kirchenbauten aus Sichtbeton, 1934 St. Karli in Luzern, dann St. Theresia am Friesenberg und 1935 Maria Lourdes ins Zürich-Seebach.
Ein Besuch dieser vier Kirchen ist sehr empfehlenswert.

Die Architekten und Ingenieure haben damals die Vorzüge des neuen Baumaterials völlig ausgereizt. Meterdickes Mauerwerk war plötzlich in nur 20 cm starkem Eisenbeton machbar. Metzger und sein Ingenieur Pfeiffer bauten in Seebach eine 12 Meter hohe Kirche, bestehend aus 40 Meter langen Fassaden mit Mauerstärken von lediglich 18 cm!
Die 30/30 cm schlanken Betonpfeiler im Innern der Kirche sind 9 Meter hoch und tragen sieben Gewölbe aus Sichtbeton, der Gewölbebeton nur 10 cm stark.

Was die mutigen Baufachleute von damals nicht wussten, es fehlte ihnen die Langzeiterfahrung über das Verhalten des neuen Baumaterials, die zu feingliedrigen Betondimensionen und die eingelegten Eisenarmierungen hielten auf die Dauer der Witterung nicht stand.

Im Laufe des Monats Mai 2008 wurden an der Maria Lourdes Kirche die Schäden am verwitterten Sichtbeton der Süd- und Ostfassade, d.h. der Hauptfassade und der dem Pfarrgarten zugewandten Längsfassade behoben.

 

Abbildungen: Gerüstungen, Armierungseisen aufspitzen, Zuputzen, Retouchen.